12. Dezember 2016

Erbschaftsteuerreform 2016: Neue Verschonungsregelungen für Einzelunternehmen

Nachdem das BVerfG insbesondere die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen nach §§ 13a und 13b ErbStG a. F. als zu weitgehend betrachtet und Änderungen an dem bisher geltenden Recht angemahnt hatte, musste die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer insoweit neu geregelt werden. Mit dem „Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ liegen die Neuregelungen nunmehr vor. Dieser Beitrag verschafft Ihnen einen ersten Überblick über die Grundzüge der neuen Verschonungsregelungen für Einzelunternehmen im Vergleich zum bisher geltenden Recht.

I. Hintergrund

1. Ausgangspunkt – BVerfG-Urteil vom 17. 12. 2014

Mit Urteil vom 17. 12. 2014 erklärte das BVerfG die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar. Weiterhin vertrat das Gericht die Auffassung, dass die festgestellten Gleichheitsverstöße §§ 13a und 13b ErbStG insgesamt erfassen. Aufgrund der festgestellten Gleichheitsverstöße erwiesen sich wichtige Elemente der §§ 13a und 13bErbStG als verfassungswidrig. Ohne sie könnten die restlichen – nicht beanstandeten – Bestandteile nicht mehr sinnvoll angewandt werden. Auch § 19 Abs. 1 ErbStG, der die Besteuerung begünstigten wie nicht begünstigten Vermögens gleichermaßen betrifft, sei i. V. mit §§ 13a und 13b ErbStG für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären. Die genannten Normen konnten bis zum 30. 6. 2016 fortgelten; der Gesetzgeber wurde jedoch verpflichtet, spätestens bis zu diesem Zeitpunkt eine Neuregelung zu treffen.

2. Reaktion des Gesetzgebers

Erst nach langem Ringen erzielten die Spitzen von CDU, CSU und SPD am 20. 6. 2016 einen Kompromiss über die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Der Kompromiss mündete in dem Entwurf eines „Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“, dem der Bundestag am 24. 6. 2016 zustimmte. Im Wesentlichen sah der Gesetzentwurf folgende Neuregelungen vor: [3]

  • Entlastung kleiner Unternehmen von Bürokratie: Kleine Unternehmen mit wenigen Beschäftigten sollen von bürokratischen Pflichten deutlich entlastet werden. Für Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten entfällt auch weiterhin die Lohnsummenprüfung.
  • Einschränkung von Steuergestaltungen: Überschreitet das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen 90 % des gesamten Betriebsvermögens, wird die Verschonung ausgeschlossen.
  • Förderung von Investitionen: Es werden diejenigen Mittel aus einem Erbe steuerrechtlich begünstigt, die gemäß dem vorgefassten Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach seinem Tod für Investitionen in das Unternehmen getätigt werden.
  • Verwaltungsvermögen: Der Begriff des „Verwaltungsvermögens“ bleibt bestehen. Dieses wird jedoch grds. nicht verschont, jedoch bis zu zehn Prozent wie steuerrechtlich begünstigtes Betriebsvermögen behandelt.
  • Steuererleichterungen für Familienunternehmen (Vorwegabschlag): Die besondere Situation von Familienunternehmen mit langfristigen Bindungen über Generationen hinweg und hieraus resultierende Verfügungsbeschränkungen bei der Anteilsweitergabe werden als Steuerbefreiung i. H. von max. 30 % bei der Bestimmung des Unternehmenswerts berücksichtigt.
  • Große Unternehmensvermögen: Das BVerfG hatte Einschränkungen bei der Verschonung großer Vermögensübergänge gefordert. Ab einem begünstigten Vermögen von 26 Mio. € pro Erwerber ist eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung, oder alternativ ein Verschonungsabschlagsmodell, vorgesehen. Der Verschonungsabschlag verringert sich um einen Prozentpunkt für jede 750.000 €, die der Erwerb oberhalb der Prüfschwelle von 26 Mio. € liegt. Keine Verschonung wird gewährt ab einem Erwerb von 89,75 Mio. € bzw. 90 Mio. €.S. 750
  • Erweiterte Stundungsregelung: Die Zahlung der Erbschaftsteuer darf die Existenz des Unternehmens nicht gefährden, auch wenn dem Stpfl. bei der Bedarfsprüfung kein Steuererlass gewährt wird. Daher wird ein Rechtsanspruch auf eine Stundung von bis zu zehn Jahren bei Erwerben von Todes wegen eingeführt. Die Stundung erfolgt zinslos und erstreckt sich auf die Steuer, die auf das begünstigte Vermögen unabhängig von dessen Wert entfällt. Voraussetzung ist jedoch die Einhaltung der Lohnsummenklausel und der Behaltensfrist.
  • Realistische Vermögensbewertung: Um in Zeiten niedriger Zinsen eine Überbewertung von Unternehmen zu vermeiden, wird der beim sog. vereinfachten Ertragswertverfahren für die Bestimmung des Unternehmenswerts maßgebliche Kapitalisierungsfaktor i. S. des § 203 BewG angepasst. Der Kapitalisierungsfaktor, der multipliziert mit dem nachhaltig erzielbaren Jahresertrag den Unternehmenswert ergibt, wird auf einen Korridor von zehn bis max. 12,5 abgesenkt.

Der Bundesrat verweigerte diesem Gesetzentwurf jedoch am 8. 7. 2016 seine Zustimmung und rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung an. Dabei kritisierte er u. a. die Begrenzung des Kapitalisierungsfaktors in § 203 BewG. Ebenso wollte man die zinslose Stundung der Steuer auf begünstigte Vermögensteile nicht akzeptieren. Der Vorwegabschlag von bis zu 30 % für Familienunternehmen sollte verschärft werden. Zudem wurde die Begünstigung auch gewerblich geprägter Personengesellschaften abgelehnt. Die Verschonung für begünstigte Erwerbe über 26 Mio. € sollte schneller auf 0 € abschmelzen.

HinweisDamit war die Frist, die das BVerfG dem Gesetzgeber für eine Neuregelung gesetzt hatte (30. 6. 2016), bereits überschritten. [4] Das BVerfG machte dem Gesetzgeber daraufhin Druck. In einer Pressemitteilung vom 14. 7. 2016 [5] erklärte das BVerfG: „Mit Urteil vom 17. 12. 2014 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts §§ 13aund 13b und § 19 Abs. 1 ErbStG für verfassungswidrig erklärt. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis zum 30. 6. 2016 eine Neuregelung zu treffen. Zwar gelten die für verfassungswidrig erklärten Vorschriften des ErbStG fort. Da eine entsprechende Gesetzesänderung bis heute nicht vorliegt, hat der Vorsitzende des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, nunmehr mit Schreiben an die Bundesregierung, den Bundestag und den Bundesrat vom 12. 7. 2016 mitgeteilt, dass der Erste Senat sich nach der Sommerpause Ende September mit dem weiteren Vorgehen im Normenkontrollverfahren um das ErbStG befassen wird.“ [6]

Auch die Finanzverwaltung erklärte, dass das bisherige Recht in vollem Umfang bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar sei. Dies gelte auch für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 30. 6. 2016 entsteht. [7]

Am 22. 9. 2016 legten Bund und Länder schließlich ihren Streit um die Reform der Erbschaftsteuer bei, und der Vermittlungsausschuss beschloss folgenden Kompromissvorschlag: [8]

  • Entlastung kleiner Unternehmen von Bürokratie: Es bleibt bei der Regelung, wonach Betriebe mit bis zu fünf Arbeitnehmern für die Steuerverschonung nicht nachweisen müssen, dass die Lohnsumme der Beschäftigten über mehrere Jahre stabil bleibt.
  • Förderung von Investitionen: Unverändert bleibt die Investitionsklausel. Mittel, die der Erbe zwei Jahre nach dem Tod des Erblassers für Investitionen im Unternehmen einsetzt, werden steuerlich begünstigt. Voraussetzung ist, dass die Investitionspläne noch zu Lebzeiten des Unternehmers aufgestellt wurden.
  • Verwaltungsvermögen: Am bisherigen Begriff des Verwaltungsvermögens wird weiterhin festgehalten. Allerdings zählen nun auch Oldtimer, Yachten oder Segelflugzeuge grds. nicht zum begünstigten Vermögen.
  • Optionsverschonung: Das begünstigungsfähige Vermögen darf nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen bestehen.
  • Steuererleichterungen für Familienunternehmen (Vorwegabschlag): Der vom Bundestag vorgesehene sog. Vorwegabschlag bleibt zwar bestehen. Dabei handelt es sich um einen Bewertungsnachlass von bis zu 30 %, der gewährt wird, wenn die Gesellschafter eine enge Bindung an das Unternehmen nachweisen. So müssen für eine lange Zeit die Gewinnentnahme und der Anteilsverkauf beschränkt sein. Allerdings sollte nun der Vorwegabschlag nur genutzt werden können, wenn der Großteil des Gewinns im Unternehmen verbleibt.
  • Große Unternehmensvermögen: Die Bedingungen für das sog. Verschonungsabschlagsmodell werden nicht verschärft. Es bleibt bei den Regelungen des ursprünglichen Gesetzesentwurfs.
  • Erweiterte Stundungsregelung: Der Vermittlungsausschuss beriet lange über die Steuerstundung für Firmenerben. Der Bundestag hatte mit den Stimmen der großen Koalition entschieden, dass Erben nach dem Tod des Unternehmensinhabers eine zehnjährige zinslose Steuerstundung erhalten können. Dagegen liefen die Länder Sturm, weil sie darin Sonderrechte für Firmenerben sahen. Schließlich habe ein normaler Steuerzahler auch keinen Anspruch auf zinslose Stundung. Die Stundung wird nun nach den Vereinbarungen im Vermittlungsausschuss deutlich unattraktiver: Sie wird nur noch für sieben Jahre gewährt. Im ersten Jahr ist sie zinslos; in den folgenden sechs Jahren wird ein Zins von zurzeit sechs Prozent pro Jahr festgesetzt.S. 751
  • Realistische Vermögensbewertung: Einer der größten Streitpunkte war die Frage der Unternehmensbewertung. Einig waren sich die Verhandlungspartner, dass die Bewertungsregeln an die Niedrigzinsphase angepasst werden sollen. Nach dem aktuellen Recht beträgt der für 2015 geltende Kapitalisierungsfaktor 18,2149. Eine so hohe Bewertung sei unrealistisch und führe somit zu einer unangemessen hohen Erbschaft- und Schenkungsteuer, argumentierte die Wirtschaft. Die große Koalition ging darauf ein und senkte den Kapitalisierungsfaktor auf 12,5. Der Vermittlungsausschuss beschloss, den Multiplikator auf 13,75 anzuheben.

Der Einigungsvorschlag wurde Bundestag bzw. Bundesrat zugeleitet, die diesem am 29. 9. 2016 bzw. am 14. 10. 2016 zustimmten. Das „Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ tritt rückwirkend zum 1. 7. 2016 in Kraft. § 203 BewG n. F.gilt für Bewertungsstichtage ab dem 1. 1. 2016.

Fazit: Erwerber von Unternehmen können – wie auch nach bisherigem Recht – weitgehend von der Erbschaftsteuer befreit werden, wenn sie das Unternehmen fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Allerdings werden die Voraussetzungen für eine Verschonung verschärft. Erhalten die Erwerber Betriebsvermögen mit einem Bedarfswert von mehr als 26 Mio. ?, kommen nur antragsgebundene Verschonungsalternativen in Betracht. Bei einem Erwerb von mehr als 89,75 Mio. € bzw. 90 Mio. € wird es keine Steuernachlässe mehr geben. Ausnahmen gibt es für kleine Betriebe mit max. fünf Vollzeitbeschäftigten (bisher: 20 Vollzeitbeschäftigte). Sie sollen ohne Nachweis der Arbeitsplatzsicherung in den Genuss einer Steuerbefreiung kommen.

II. Neue Verschonungsregelungen für Einzelunternehmen (Betriebsvermögen)

1. Allgemeines

Ein Einzelunternehmen ist die zu bewertende wirtschaftliche Einheit im Betriebsvermögen (§ 95 Abs. 1 und § 96 BewG). Durch die am gemeinen Wert ausgerichtete Bewertungsebene (§ 109 Abs. 1 BewG) wird die erbschaft- und schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage innerhalb der Besteuerungsebene erhöht. Wird ein Einzelunternehmen durch Schenkung oder Erwerb von Todes wegen (z. B. Erbfall, Sachvermächtnis) auf den Rechtsnachfolger übertragen, prüft das zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt (§ 35 ErbStG), ob die Verschonungsregelungen nach §§ 13a und 13b ErbStG greifen. Nach bisherigem Recht (Besteuerungszeitpunkt bis 30. 6. 2016) betrug die Regelverschonung 85 % (§ 13b Abs. 4 i. V. mit § 13a Abs. 1 ErbStG a. F.) mit einem zusätzlichen gleitenden Abzugsbetrag von höchstens 150.000 € (§ 13a Abs. 2 ErbStG a. F.). Auf Antrag wurde – unter bestimmten Voraussetzungen – statt der Regelverschonung eine Befreiung zu 100 % gewährt (sog. Optionsverschonung, § 13a Abs. 8 ErbStG a. F.). Gekoppelt waren diese Verschonungen insbesondere an die sog. Lohnsummenklausel (§ 13a Abs. 1 Satz 2 ff. i. V. mit Abs. 4 ErbStG a. F.), die sog. Behaltensfrist nach § 13a Abs. 5 ErbStG a. F. und an die Höhe des sog. Verwaltungsvermögens i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG a. F. (50 %-Grenze).

Durch das „Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ bleiben §§ 13a und 13b ErbStG in ihrer Grundstruktur erhalten. Um einen verfassungsgemäßen Zustand zu schaffen, werden die vom BVerfG beanstandeten Regelungen insoweit aber angepasst. In vielen Teilen erscheint das neue Recht hoch komplex und interpretationsbedürftig. Nachfolgend verschaffen wir Ihnen daher einen Überblick über die Grundzüge der neuen Verschonungsregelungen für Einzelunternehmen.

2. Begünstigungsfähiges Vermögen

Die Frage, welches Vermögen verschont wird, beantwortet (weiterhin) § 13b Abs. 1 ErbStG. Der Katalog des begünstigten Vermögens wurde nicht geändert; das neue Recht bezeichnet dieses Vermögen als „begünstigungsfähiges Vermögen“. Darunter fallen nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG insbesondere inländische gewerbliche und freiberufliche Einzelunternehmen (Betriebsvermögen i. S. der §§ 95 und 96 BewG). Grundstücke oder Grundstücksteile, die ertragsteuerliches Betriebsvermögen darstellen und somit auch zum bewertungsrechtlichen Betriebsvermögen gehören (Betriebsgrundstücke, § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG), sind Teil des zu verschonenden Einzelunternehmens (R E 13b.5 Abs. 2 Satz 1 ErbStR).

3. System der Begünstigung (Grundmodell Regelverschonung)

a) Besteuerungszeitpunkt bis 30. 6. 2016

Waren die Voraussetzungen (insbesondere Lohnsummenklausel, Behaltensfrist) für die Inanspruchnahme der Verschonungsregelungen nach §§ 13a, 13b ErbStG erfüllt, betrug die Regelverschonung 85 % (§ 13b Abs. 4 i. V. mit § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG a. F.) mit einem zusätzlichen gleitenden Abzugsbetrag von höchstens 150.000 € nach § 13a Abs. 2 Satz 1 und 2 ErbStG a. F. Von dem Teil des auf einen Erwerber übergegangenen begünstigten Vermögens, der nach Anwendung des Verschonungsabschlags verbleibt, wurde ein Betrag von 150.000 € abgezogen (Abzugsbetrag). Der Abzugsbetrag von 150.000 € verringerte sich, wenn der Wert des verbleibenden Vermögens insgesamt die Wertgrenze von 150.000 € überstieg, um 50 % des diese Wertgrenze übersteigenden Betrags. Daraus ergab sich, dass der Betriebsvermögenswert eines Einzelunternehmens (§ 157 Abs. 5 BewG) bis zu 1.000.000 € vollständig verschont wurde. Der Abzugsbetrag verringerte sich demnach gleitend bei einem Wert des begünstigten Vermögens zwischen 1.000.001 € und 2.999.999 €. Die „alten“ Verschonungsregelungen führten aber auch dazu, dass größere Unternehmen, mit einem Betriebsvermögenswert weit über 3 Mio. €, auch mit 85 % verschont wurden. Diese hohe Begünstigung war einer der wesentlichen Kritikpunkte des BVerfG.S. 752

Beispiel 1Zur Erbmasse des im Juni 2016 verstorbenen Albert gehört ein Einzelhandelsunternehmen. Alleinerbe ist seine Tochter Beatrice. Der vom Betriebsfinanzamt gesondert festgestellte Betriebsvermögenswert beträgt 4.490.592 €. Im Betriebsvermögen ist kein Verwaltungsvermögen enthalten. Beatrice führt den Betrieb mit allen Arbeitnehmern fort. Die Lohnsummenklausel (§ 13a Abs. 1 Satz 2 ff. i. V. mit Abs. 4 ErbStG a. F.) und die Behaltensfrist (§ 13a Abs. 5 ErbStG a. F.) sind eingehalten.

Prüfen Sie, ob die Regelverschonung greift. Wie hoch ist der von Tochter Beatrice zu versteuernde Betriebsvermögenswert?

LösungBeatrice erwirbt das Einzelunternehmen ihres Vaters durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 erste Alt. ErbStG). Das Einzelunternehmen gehört als wirtschaftliche Einheit „Gewerbebetrieb“ (§ 95 Abs. 1 BewG) zum Betriebsvermögen. Der vom Betriebsfinanzamt nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erste Alt. i. V. mit § 152 Nr. 2 BewG gesondert festgestellte Betriebsvermögenswert ist der Erbschaftsteuer zu unterwerfen (§ 12 Abs. 5 ErbStG). Das Erbschaftsteuerfinanzamt (§ 35 ErbStG) hat zu prüfen, ob die Regelverschonung greift. Das geerbte Einzelunternehmen gehört zum begünstigten Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a. F. Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG a. F. ist nicht vorhanden. Die Lohnsummenklausel und die Behaltensfrist wurden eingehalten, so dass die Verschonungsregelungen Anwendung finden.

Die Begünstigung stellt sich folgendermaßen dar:

Betriebsvermögenswert
4.490.592 €
Verschonungsabschlag 85 %
13b Abs. 4 i. V. mit § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG a. F.)

– 3.817.003 €
Nicht begünstigtes Vermögen 15 %
673.589 €
Abzugsbetrag
(§ 13a Abs. 2 Satz 1 ErbStG a. F.)
150.000 €
Kürzung
673.589 €
– 150.000 €
523.589 €
1/2
– 261.794 €
Gleitender Abzugsbetrag
(§ 13a Abs. 2 Satz 2 ErbStG a. F.)
0 €
0 €
Zu versteuernder Betriebsvermögenswert
673.589 €
b) Besteuerungszeitpunkt ab 1. 7. 2016

Sind die Voraussetzungen (insbesondere Lohnsummenklausel, Behaltensfrist) für die Inanspruchnahme der Verschonungsregelungen nach §§ 13a, 13b ErbStG erfüllt, beträgt die Regelverschonung weiterhin 85 % (§ 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG n. F.) mit einem zusätzlichen gleitenden Abzugsbetrag von höchstens 150.000 € nach § 13a Abs. 2 Satz 1 und 2 ErbStG n. F. Neu ist insbesondere, dass

  1. der begünstigte Teil des begünstigungsfähigen Vermögens nach § 13b Abs. 2 ErbStG n. F. neu definiert wird. Den Vorgaben des BVerfG folgend, wird die typisierende Verwaltungsvermögensgrenze von 50 % nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a. F. aufgehoben. Stattdessen wird zur Bestimmung des Anteils des nicht begünstigten Vermögens auf den um das unschädliche Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 7 ErbStG n. F. gekürzten Nettowert des Verwaltungsvermögens i. S. des § 13b Abs. 6 ErbStG n. F. abgestellt. Das Verwaltungsvermögen selbst wird nunmehr in § 13b Abs. 4 ErbStG n. F. definiert.
  2. eine Prüfschwelle von 26 Mio. € aufgenommen wird (§ 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStGn. F.). Die bisherigen Verschonungsregelungen nach §§ 13a, 13b ErbStG a. F. waren nach dem Urteil des BVerfG unverhältnismäßig, soweit bei der Übertragung großer betrieblicher Vermögen die Verschonung eintritt, ohne dass der Erwerber nachgewiesen hat, ob er überhaupt einer Verschonung bedarf. Nach dieser Maßgabe bestimmt § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG n. F. eine Prüfschwelle von 26 Mio. € für die Verschonung des erworbenen begünstigten Vermögens i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG. Bei der Prüfung, ob die Schwelle überschritten ist, sind nach § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG n. F. ggf. auch von derselben Person anfallende Erwerbe begünstigten Vermögens innerhalb von zehn Jahren einzubeziehen (vergleichbar mit der Frist in § 14 ErbStG). Durch das Zusammenrechnen von Erwerben innerhalb von zehn Jahren sollen Gestaltungen durch gestaffelte Übertragungen vermieden werden. Liegt der Erwerb unterhalb der Prüfschwelle, erhält der Erwerber, wie nach bisherigem Recht, im Rahmen der Regelverschonung einen Verschonungsabschlag i. H. von 85 %. Übersteigt der Wert des erworbenen begünstigten Vermögens jedoch die Prüfschwelle, [9] erfolgt zunächst keine „klassische“ Verschonung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG n. F. (auch nicht nach § 13a Abs. 2 ErbStG n. F., da rechnerisch nicht möglich), sondern auf Antrag ein verminderter Verschonungsabschlag nach § 13c ErbStG n. F. (sog. Abschmelzmodell) oder eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung beim Erwerber nach § 28a ErbStG n. F.
  3. für Familienunternehmen ein sog. Vorwegabschlag von max. 30 % nach § 13a Abs. 9 ErbStG n. F. eingeführt wird. Der Vorwegabschlag soll aber nur bei kumulativem Vorliegen von Entnahme-, Abfindungs- und Verfügungsbeschränkungen i. S. des § 13a Abs. 9 Satz 1 Nr. 1–3 ErbStG n. F. in Betracht kommen. Er ist stets vor der Anwendung des zur Wahl stehenden Verschonungsregimes nach § 13a Abs. 1 oder Abs. 10, § 13c und § 28a ErbStG n. F. in Ansatz zu bringen.S. 753

Beispiel 2Wie wäre Beispiel 1 zu beurteilen, wenn Albert erst im August 2016 verstirbt?

LösungDas geerbte Einzelunternehmen gehört zum begünstigungsfähigen Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG n. F. Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 4 ErbStG n. F. ist nicht vorhanden. Die Lohnsummenklausel und die Behaltensfrist wurden eingehalten, so dass die Verschonungsregelungen greifen.

Die Begünstigung stellt sich folgendermaßen dar:

Begünstigtes Vermögen
(§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG n. F.)
4.490.592 €
Verschonungsabschlag 85 %
(§ 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG n. F.)
– 3.817.003 €
Nicht begünstigtes Vermögen 15 %
673.589 €
Abzugsbetrag
(§ 13a Abs. 2 Satz 1 ErbStG n. F.)
150.000 €
Kürzung
673.589 €
– 150.000 €
523.589 €
1/2
– 261.794 €
Gleitender Abzugsbetrag
(§ 13a Abs. 2 Satz 2 ErbStG n. F.)
0 €
0 €
Zu versteuernder Betriebsvermögenswert
673.589 €

Fazit: In einem solchen Grundfall, ohne Vorhandensein von Verwaltungsvermögen, ergeben sich keine Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht. Hätte der Betriebsvermögenswert allerdings z. B. 40 Mio. € betragen, wären nach altem Recht nur 6 Mio. € der Besteuerung unterworfen worden, nach neuem Recht hingegen die gesamten 40 Mio. € (wesentliche Verschärfung). Insoweit wird den Vorgaben des BVerfG Rechnung getragen, Unternehmen mit einem hohen Betriebsvermögenswert grds. nicht mehr zu verschonen. Auf Antrag wäre jedoch ein verminderter Verschonungsabschlag nach § 13c ErbStG n. F. (sog. Abschmelzmodell) oder eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG n. F. möglich.

4. Verwaltungsvermögen

a) Begünstigtes Vermögen i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG n. F.

Verschont werden sollen nur Betriebe, deren Betriebsvermögen überwiegend aus sog. Produktivvermögen besteht. Wirtschaftsgüter, die nicht direkt dem operativen Geschäft dienen, aber dem Betriebsvermögen zuzurechnen sind, stellen „unproduktives Vermögen“ dar. Der Gesetzgeber spricht in diesem Fall vom sog. Verwaltungsvermögen. Im bisherigen Recht konnten die Begünstigungen dann gewährt werden, wenn das Betriebsvermögen des Einzelunternehmens nicht zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen bestand (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a. F.). Den Vorgaben des BVerfG folgend, wird diese Grenze aufgehoben. Nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG n. F. ist das begünstigungsfähige Vermögen begünstigt, soweit sein gemeiner Wert (bei einem Einzelunternehmen der Betriebsvermögenswert i. S. des § 157 Abs. 5 BewG) den um das unschädliche Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 7 ErbStG n. F. gekürzten Nettowert des Verwaltungsvermögens i. S. des § 13b Abs. 6 ErbStG n. F. übersteigt.

Die Formel zur Ermittlung des begünstigten Vermögens lautet also:

 

Betriebsvermögenswert Einzelunternehmen
Nettowert des Verwaltungsvermögens
(-
unschädliches Verwaltungsvermögen)
=
begünstigtes Vermögen

 

Das begünstigte Vermögen ist daher in drei Schritten zu ermitteln:

 

1. Schritt:
Ermittlung des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 ErbStG n. F. und des Nettowerts des Verwaltungsvermögens nach §13b Abs. 6 ErbStG n. F.
2. Schritt:
Ermittlung des unschädlichen Verwaltungsvermögens nach §13b Abs. 7 ErbStG n. F.
3. Schritt:
Ermittlung des begünstigten Vermögens nach §13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG n. F.

 

§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG n. F. nimmt solches begünstigungsfähiges Vermögen vollständig von der Verschonung aus, das nahezu ausschließlich aus Verwaltungsvermögen besteht. Besteht betriebliches Vermögen grds. zu mind. 90 % aus Verwaltungsvermögen, ist das gesamte betriebliche Vermögen nicht schutzwürdig. Damit wird insbesondere der Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt.

b) Begriffserläuterungen
(1) Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 4 ErbStG n. F.

Welche Wirtschaftsgüter zum Verwaltungsvermögen gehören sollen, definiert § 13b Abs. 4 ErbStG n. F. Die Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zum Verwaltungsvermögen ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich ertragsteuerrechtlich um notwendiges Betriebsvermögen handelt. Für die Entscheidung, ob Verwaltungsvermögen S. 754vorliegt, sind die Verhältnisse im Besteuerungszeitpunkt maßgebend. Dabei ist ausschließlich auf die Verhältnisse beim Erblasser oder Schenker abzustellen. Veränderungen hinsichtlich des Verwaltungsvermögens, die nach dem Besteuerungszeitpunkt beim Erwerber eintreten, sind unbeachtlich. Die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens stellt das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Betriebsfinanzamt gesondert fest, wenn diese Werte für die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer von Bedeutung sind (§ 13b Abs. 10 ErbStG n. F.).

Die Abgrenzung des begünstigten vom nicht begünstigten Vermögen erfolgt wie nach bisherigem Recht anhand eines Verwaltungsvermögenskatalogs nach § 13b Abs. 4 ErbStGn. F. Der bisher geltende Katalog des Verwaltungsvermögens wird mit folgender Maßgabe fortgeführt:

  • § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG n. F.: Die bisherige Gesetzesfassung nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ErbStG a. F. wird weitgehend übernommen. Insbesondere bleibt dieRückausnahme nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG n. F. für an Dritte überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten bestehen, wenn der Hauptzweck des überlassenden Betriebs in der Vermietung von Wohnungen besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert. Liegt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor, geht die Vermietung von Wohnungen über eine reine Vermögensverwaltung hinaus. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass damit eine originär gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird. Durch die Ausnahme großer Wohnungsvermietungsunternehmen von der Besteuerung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer soll eine Veräußerung dieser Unternehmen zur Zahlung der Erbschaft- und Schenkungsteuer vermieden werden. Eine Veräußerung großer Bestände von Wohnungen könnte den angespannten Wohnungsmarkt weiter negativ beeinflussen und zu Mietsteigerungen bei den veräußerten Wohnungen führen. Der Erhalt von bezahlbarem Wohnraum rechtfertigt als besonderer Gemeinwohlgrund eine Rückausnahme für Wohnungsvermietungsunternehmen, deren Hauptzweck in der Vermietung von Wohnungen besteht und dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert.In § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. e ErbStG n. F. wird eine neue Rückausnahme für die Überlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, grundstücksgleichen Rechten und Bauten an Dritten eingeführt. Sind diese Grundstücke zu dem Zweck überlassen worden, eigene Erzeugnisse des erworbenen Betriebs dort abzusetzen, stellt die Überlassung keine typische Vermögensverwaltung dar. Bedingung ist aber, dass die Überlassung im Rahmen von Lieferungsverträgen dem Absatz von eigenen Erzeugnissen und Produkten dient.

    BeispieleEin Beispiel hierfür sind Brauereigaststätten, die an Dritte bei gleichzeitigem Abschluss eines Bierlieferungsvertrags verpachtet werden und in denen vorrangig das von der Brauerei hergestellte Bier ausgeschenkt wird. Viele Brauereien setzen einen großen Teil ihrer Produkte über die verpachteten Gaststätten ab. Die Erzielung der Pachteinnahmen steht somit nicht im Vordergrund des Vertragswerks. Die Verpachtung ist Bestandteil der insgesamt originär gewerblichen Tätigkeit der Brauerei. Das Gleiche gilt für die Verpachtung von Tankstellen durch Mineralölunternehmen. In den genannten Fällen ist es sachgerecht, den Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten nicht dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen.

  • § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG n. F.: Die Regelung entspricht der alten Gesetzeslage.
  • § 13b Abs. 4 Nr. 3 ErbStG n. F.: Die alte Gesetzesfassung wird gestrichen, da die bisher hiervon erfassten Beteiligungen in die konsolidierte Nettobetrachtung nach § 13b Abs. 9 ErbStG n. F. einbezogen werden.
  • § 13b Abs. 4 Nr. 3 ErbStG n. F.: § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ErbStG a. F. wird in Nr. 3 aufgenommen und erweitert. Die Regelung dient der Missbrauchsvermeidung. Typischerweise der privaten Lebensführung dienende Freizeit- und Luxusgegenstände wie z. B. Oldtimer, Motorräder, Segelyachten und Kunstgegenstände sollen nicht durch geschickte Gestaltungen (z. B. durch Einbringung in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) einer Besteuerung entzogen werden können.
  • § 13b Abs. 4 Nr. 4 ErbStG n. F.: Die Regelung entspricht der alten Gesetzeslage.
  • § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG n. F.: Die mit dem AmtshilfeRLUmsG vom 26. 6. 2013 [10]eingeführte Regelung zur Eindämmung der sog. Cash-Gesellschaften in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a. F. wird in der neuen Nr. 5 übernommen und erweitert. Für Finanzmittel wird wie bisher ein voller Schuldenabzug zugelassen. Als begünstigtes Vermögen sind Finanzmittel anzunehmen, die 15 % (altes Recht = 20 %) des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs nicht übersteigen. Dieser 15 %-Sockelbetrag kommt jedoch nur bei den Unternehmen zum Ansatz, bei denen das begünstigungsfähige Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 ErbStG überwiegend einer produktiven Tätigkeit i. S. der §§ 13, 25 und 18 EStG dient (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 4 und 5 ErbStG n. F.). Damit soll die Eindämmung der sog. Cash-Gesellschaften weiter verschärft werden.

Das Betriebsfinanzamt hat die Aufgabe, aufgrund der vorliegenden Unterlagen und durch Überprüfungen festzustellen, ob solches Verwaltungsvermögen im zu bewertenden Einzelunternehmen vorhanden ist (§ 13b Abs. 10 ErbStG n. F.). Ist dies der Fall, muss es eine (Bedarfs-)Bewertung für diese Wirtschaftsgüter vornehmen. Dabei kommt als Ansatz der Wert zum Tragen, der nach den Vorschriften des BewG für das jeweilige Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens vorgesehen ist. Gehört bspw. ein Betriebsgrundstück i. S. des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG zum Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG, wird das Betriebsfinanzamt das Lagefinanzamt (§ 152 Nr. 1 BewG) mit der gesonderten S. 755Feststellung des Grundbesitzwerts (§ 157 Abs. 3 Satz 1 BewG) beauftragen (§ 13b Abs. 10 Satz 3 ErbStG).

Die Summe des Verwaltungsvermögens i. S. des § 13b Abs. 4 ErbStG n. F. wird in drei Stufen ermittelt:

1. Stufe: Ermittlung der Wirtschaftsgüter, die im Verwaltungsvermögenskatalog des § 13b Abs. 4 Nr. 1–4 ErbStG n. F. enthalten sind

 

Wirtschaftsgüter nach § 13b Abs. 4 Nr. 1–4 ErbStG n. F.
Gemeiner Wert bestimmter Betriebsgrundstücke i. S. der Nr. 1 Satz 1, R E 13b.9 Satz 4 und 13b.20 Abs. 2 Satz 1–3 ErbStR
…… €
+
Gemeiner Wert Anteile an Kapitalgesellschaften i. S. der Nr. 2 Satz 1, R E 13b.15 Abs. 3 ErbStR
…… €
+
Gemeiner Wert Kunstgegenstände etc. i. S. der Nr. 3
…… €
+
Gemeiner Wert Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen i. S. der Nr. 4, H E 13b.17 ErbStH
…… €
=
Zwischensumme 1
…… €
Kein Abzug von Schulden (Bruttoprinzip), R E 13b.20 Abs. 2 Satz 5 ErbStR

 

2. Stufe: Ermittlung der Finanzmittel, die im Verwaltungsvermögenskatalog des § 13b Abs. 4 Nr. 5 n. F. enthalten sind

 

Finanzmittel nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG n. F.
Zahlungsmittel
…… €
+
Guthaben aus Bankkonten, Festgeldkonten u. Ä.
…… €
+
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
…… €
+
Forderungen aus geleisteten Anzahlungen
…… €
+
Steuererstattungsansprüche
…… €
+
Sonstige Kapitalforderungen
…… €
=
Zwischensumme Finanzmittel
…… €
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten
…… €
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
…… €
Verbindlichkeiten aus erhaltenen Anzahlungen
…… €
Steuernachforderungen
…… €
Rückstellungen
…… €
Sonstige Kapitalschulden
…… €
Saldo Finanzmittel (Nettoprinzip), weitere Ermittlung, nur wenn Saldo positiv
Sockelbetrag/Freibetrag = 15 % des Betriebsvermögenswerts
=
Wenn positiv = schädliche Finanzmittel 2
▶ Einzelheiten sind den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10. 10. 2013 – S 3812 ( [RAAAE-48489], BStBl 2013 I S. 1272), Tz. 2–2.4, zu entnehmen.

 

3. Stufe: Summe des gesamten Verwaltungsvermögens i. S. des § 13b Abs. 4 ErbStG n. F.

 

Summe Verwaltungsvermögen
Summe zu 1
…… €
+
Summe zu 2
…… €
=
Summe Verwaltungsvermögen
…… €
=
i. d. R. Nettowert Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 6 ErbStG n. F.
…… €

 

(2) Nettowert des Verwaltungsvermögens i. S. des § 13b Abs. 6 ErbStGn. F.

Soweit die zum Betrieb gehörenden Schulden nicht bereits mit den zur Erfüllung von Altersversorgungsverpflichtungen dienenden Vermögensgegenständen verrechnet (§ 13b Abs. 3 ErbStG n. F.) oder bei der Ermittlung der Finanzmittel (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStGn. F.) berücksichtigt wurden, sieht § 13b Abs. 6 Satz 1 ErbStG n. F. einen anteiligenSchuldenabzug vor. Hierbei sind die verbleibenden Schulden anteilig vom gemeinen Wert des nicht begünstigten Vermögens abzuziehen (Nettowert des Verwaltungsvermögens). Für Zwecke der anteiligen Schuldenermittlung ist ein Zuordnungsschlüssel maßgebend, der sich aus einer Berechnung auf Grundlage des gemeinen Werts des erworbenen betrieblichen Vermögens ergibt.

In der Regel sind alle Schulden bereits im Verwaltungsvermögen erfasst, insbesondere durch die Berücksichtigung in § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG n. F. Demnach bleibt für einen darüber hinausgehenden Schuldenabzug i. S. des § 13b Abs. 6 Satz 1 ErbStG n. F. regelmäßig kein Raum. Das nach § 13b Abs. 4 ErbStG n. F. ermittelte Verwaltungsvermögen entspricht daher i. d. R. dem Nettowert des Verwaltungsvermögens.

(3) Unschädliches Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 7 ErbStGn. F.

Ein Teil des nicht begünstigten Vermögens (Verwaltungsvermögen) wird wie begünstigtes Vermögen behandelt. Nahezu jeder Betrieb benötigt zur Gewährleistung seiner unternehmerischen Unabhängigkeit und seines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs einen gewissen Umfang an Vermögen, das nicht unmittelbar der originären Betriebstätigkeit dient. Dieses Vermögen wird zur Kapitalstärkung und Sicherung der operativen Zwecke benötigt, insbesondere um einen Finanzierungspuffer im Betrieb vorzuhalten und flexibel in das Unternehmen investieren zu können. Aus diesem Grund soll nach § 13b Abs. 7 Satz 1 ErbStG n. F. typisierend und pauschalierend ein Teil des Nettowerts des Verwaltungsvermögens wie begünstigtes Vermögen behandelt und auch verschont werden (unschädliches Verwaltungsvermögen). Die Wertgrenze wird auf 10 % des um den Nettowert des Verwaltungsvermögens gekürzten gemeinen Werts des Betriebsvermögens festgelegt. Das BVerfG hatte die Wertgrenze i. H. von 10 % nicht beanstandet. Bemessungsgrundlage für das unschädliche Verwaltungsvermögen ist folgerichtig der Betriebsvermögenswert abzgl. des Nettoverwaltungsvermögens, weil das für unschädlich gehaltene Verwaltungsvermögen dem originär der betrieblichen Tätigkeit dienenden Vermögen und nicht dem Verwaltungsvermögen zur Absicherung dient. Durch eine Anknüpfung an den gemeinen Wert des Betriebs abzgl. des Nettoverwaltungsvermögens werden auch Gestaltungen durch Einlage von Verwaltungsvermögen vermieden. Eine Anknüpfung an den gemeinen Wert des Betriebs ohne Abzug des Nettoverwaltungsvermögens würde es ermöglichen, durch Einlage von Verwaltungsvermögen den gemeinen Wert des Betriebs insgesamt zu erhöhen und damit einen höheren absoluten Anteil an Verwaltungsvermögen verschont zu erhalten. DieS. 756Formel zur Ermittlung des unschädlichen Verwaltungsvermögens lautet also:

 

Betriebsvermögenswert Einzelunternehmen
Nettowert des Verwaltungsvermögens
=
Differenz • 10 %
=
unschädliches Verwaltungsvermögen

 

c) Beispiele

Beispiel 1Besteuerungszeitpunkt ist der 17. 6. 2016. Zur Erbmasse des verstorbenen Cäsar gehört u. a. ein bilanzierendes Einzelunternehmen (Verkauf von Computerhardware und Zubehör), dessen vom Betriebsfinanzamt gesondert festgestellter Betriebsvermögenswert 3.918.772 € beträgt.

Bilanz zum Todestag:

Erläuterungen:

  • Grundstück I enthält die Verkaufsräume und stellt notwendiges Betriebsvermögen dar.
  • Im gewillkürten Betriebsvermögen befindet sich Grundstück II. Es handelt sich um ein vermietetes Mehrfamilienhaus, dessen nach § 182 Abs. 3 BewG i. V. mit §§ 184188 BewG gesondert festgestellter Grundbesitzwert (gemeiner Wert) 590.000 € beträgt und auf dem noch eine Hypothek i. H. von 60.000 € lastet.
  • Darüber hinaus ist das bebaute Grundstück III mit einem Grundbesitzwert i. H. von 993.856 € vorhanden. Es handelt sich dabei um ein Wohn- und Geschäftshaus mit drei gleich großen und ähnlich ausgestatten Wohnungen (jeweils 100 m2). Die Wohnung im obersten Geschoss wurde vom Erblasser Cäsar und seinem Lebenspartner (i. S. des LPartG) Django (Alleinerbe) zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Die anderen beiden vermieteten Wohnungen wurden zum Betriebsvermögen gewillkürt. Im Erdgeschoss sind die Büro- und Verwaltungsräume des eigenen Gewerbebetriebs untergebracht (100 m2). Django lebt nach dem Tod von Cäsar weiter in der bisherigen gemeinsamen Wohnung. Auf dem Grundstück lastet noch eine Hypothek i. H. von 180.000 €.
  • Zum notwendigen Betriebsvermögen gehören u. a. auch Aktien (Beteiligungsquote = 8 %; Kurswert = 100.000 €).

Aufgabe: Prüfen Sie, ob für das Einzelunternehmen die Regelverschonung greift; die Lohnsummenklausel (§ 13a Abs. 1 Satz 2 ff. i. V. mit Abs. 4 ErbStG a. F.) und die Behaltensfrist (§ 13a Abs. 5 ErbStG a. F.) sind eingehalten. Wie hoch ist der von Django zu versteuernde Betriebsvermögenswert?

Lösung1. Bewertungsebene „Wohn- und Geschäftshaus“
Das Wohn- und Geschäftshaus stellt bewertungsrechtlich ein gemischt genutztes Grundstück dar, da es zu 75 % zu Wohnzwecken und zu 25 % eigenen betrieblichen Zwecken dient und es sich nicht um ein Ein- oder Zweifamilienhaus (drei Wohnungen), Mietwohn- oder Geschäftsgrundstück handelt (§ 181 Abs. 1 Nr. 5 i. V. mit Abs. 7 BewG). Das Lagefinanzamt hat eine gesonderte Feststellung durchzuführen und den Bedarfswert für das gesamte Grundstück zu ermitteln sowie nachrichtlich die den einzelnen Nutzungen zuzurechnenden Flächen anzugeben (H B 151.2 [Nachrichtliche Angaben] ErbStH):

Nutzungen
Anteilige Fläche
Anteiliger Bedarfswert
Eigengenutzte Wohnung
100 m 2
248.464 €
Vermietete Wohnungen
200 m 2
496.928 €
Eigene Büroräume
100 m 2
248.464 €
Gesamt
400 m 2
993.856 €

Das gemischt genutzte Grundstück ist ertragsteuerlich in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen (R 4.2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 5 i. V. mit Abs. 4 Satz 1 EStR):

  • Eigengenutzte Wohnung: notwendiges Privatvermögen (Wirtschaftsgut IV)
  • Vermietete Wohnungen: gewillkürtes Betriebsvermögen (Wirtschaftsgut III)
  • Eigene Büroräume: notwendiges Betriebsvermögen (Wirtschaftsgut I)

Auch bewertungsrechtlich ist das Grundstück aufzuspalten (R B 99 ErbStR i. V. mit H B 151.2 [Aufteilung …] ErbStH). Soweit das notwendige und gewillkürte ertragsteuerliche Betriebsvermögen betroffen ist, stellt das gemischt genutzte Grundstück ein Betriebsgrundstück dar (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG), ist somit Teil der wirtschaftlichen Einheit „Gewerbebetrieb“ und Teil des bewertungsrechtlichen Betriebsvermögens. Der Grundstücksteil „eigengenutzte Wohnung“ hingegen ist dem Grundvermögen zuzurechnen.

2. Besteuerungsebene „Betriebsvermögen“
Auf der Besteuerungsebene (Erbschaftsteuerveranlagung) ist vom zuständigen Erbschaftsteuerfinanzamt zu prüfen, ob die Verschonungsregelungen nach §§ 13aund 13b ErbStG möglich sind. Das vererbte Einzelunternehmen gehört nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a. F. zum begünstigten Vermögen. Zu prüfen ist, ob das sog. Verwaltungsvermögen die 50 %-Grenze des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a. F. übersteigt oder nicht.

1. Schritt: Ermittlung des Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG a. F.

Mietwohngrundstück
590.000 €
Vermietete Wohnungen im gemischt genutzten Grundstück
+ 496.928 €
Aktien
+ 100.000 €
1.186.928 €S. 757
§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a. F.
(vgl. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10. 10. 2013 – S 3812 [11])
Finanzmittel (Kundenforderungen, Bank)
311.650 €
Schulden (Hypothek, Lieferanten, Rückstellung)
– 229.360 €
82.290 €
20 % Betriebsvermögenswert
– 783.755 €
0 €
0 €
Summe Verwaltungsvermögen
1.186.928 €

Nach § 13b Abs. 2a Satz 1 ErbStG a. F. ist das Verwaltungsvermögen vom Betriebsfinanzamt gesondert festzustellen.

2. Schritt: Verwaltungsvermögenstest
Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs beträgt nach § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG a. F.: 1.186.928 €/3.918.772 € • 100 = 30,28 %. Damit wird die 50 %-Grenze nicht überschritten, so dass der Gewerbebetrieb verschont werden kann (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a. F. i. U.).

Die Begünstigung stellt sich folgendermaßen dar:

Betriebsvermögenswert
3.918.772 €
Verschonungsabschlag 85 %
(§ 13b Abs. 4 i. V. mit § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG a. F.)
– 3.330.956 €
Nicht begünstigtes Vermögen 15 %
587.816 €
Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 Satz 1 ErbStG a. F.)
150.000 €
Kürzung
587.816 €
– 150.000 €
437.816 €
1/2
– 218.908 €
Gleitender Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 Satz 2 ErbStG a. F.)
0 €
0 €
Zu versteuernder Betriebsvermögenswert
587.816 €

Hinweise: Grundstück I und II sowie die zum Betriebsvermögen gehörenden Teile von Grundstück III sind Betriebsgrundstücke i. S. des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG und damit Teil des „verschonten“ Betriebsvermögenswerts. Die Schuldenkappung i. S. des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG greift insoweit nicht ein (R E 10.10 Abs. 4 Satz 1, 2 und R E 13b.7 Abs. 2 Satz 1, 2 ErbStR).

3. Besteuerungsebene „Grundvermögen, Nachlassverbindlichkeiten“
Die bzgl. des gemischt genutzten Grundstücks III unterschiedlich genutzten Grundstücksteile sind auch erbschaftsteuerlich getrennt auf ihre Auswirkung zu untersuchen:

  • Eigengenutzte Wohnung: Es handelt sich insoweit um Grundvermögen. § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG ist anwendbar, da Django Lebenspartner (i. S. des LPartG) des verstorbenen Cäsar ist und das Familienheim weiterhin zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Somit ist der anteilige Grundbesitzwert nicht der Besteuerung zu unterwerfen; der zehnjährige Nachversteuerungsvorbehalt ist von Django zu beachten (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG).
  • Vermietete Wohnungen: § 13c ErbStG ist nicht einschlägig, da die Grundstücksteile (Betriebsgrundstück) Bestandteil des nach §§ 13a und 13b ErbStG begünstigten Betriebsvermögens sind (§ 13c Abs. 3 Nr. 3 ErbStG).
  • Eigene Büroräume: Grundstücksteil (Betriebsgrundstück) ist Bestandteil des nach §§ 13a und 13b ErbStG begünstigten Betriebsvermögens.
  • Hypothek: Sie ist als Erblasserschuld zu erfassen, soweit sie auf die eigengenutzte Wohnung entfällt (= 1/4 , § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG). Ein Abzug ist aber nicht möglich (§ 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG). Der restliche Teil ( 3/4 ) ist Bestandteil des begünstigten Betriebsvermögens.

Beispiel 2Wie Beispiel 1, jedoch ist Cäsar erst im August 2016 verstorben.

LösungGegenüber der Lösung zu Beispiel 1 ergeben sich nur auf der Besteuerungsebene „Betriebsvermögen“ Änderungen. Auf der Besteuerungsebene (Erbschaftsteuerveranlagung) ist vom zuständigen Erbschaftsteuerfinanzamt zu prüfen, ob die Verschonungsregelungen nach §§ 13a und 13b ErbStG möglich sind. Das vererbte Einzelunternehmen gehört nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG n. F. zum begünstigungsfähigen Vermögen. Nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG n. F. ist das begünstigungsfähige Vermögen begünstigt, soweit der Betriebsvermögenswert i. S. des § 157 Abs. 5 BewG den um das unschädliche Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 7 ErbStG n. F. gekürzten Nettowert des Verwaltungsvermögens i. S. des § 13b Abs. 6 ErbStG n. F. übersteigt. Deshalb sind zunächst das Verwaltungsvermögen, der Nettowert des Verwaltungsvermögens sowie das unschädliche Verwaltungsvermögen zu ermitteln.

1. Schritt: Ermittlung des Verwaltungsvermögens und des Nettowerts des Verwaltungsvermögens
Der Nettowert des Verwaltungsvermögens wird nach § 13b Abs. 6 Satz 1 ErbStGn. F. ermittelt. Regelmäßig sind alle Schulden bereits im Verwaltungsvermögen erfasst, insbesondere durch die Berücksichtigung in § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG n. F. Demnach bleibt für einen darüber hinausgehenden Schuldenabzug i. S. des § 13b Abs. 6 ErbStG n. F. i. d. R. kein Raum. Das nach § 13b Abs. 4 ErbStG n. F. ermittelte Verwaltungsvermögen entspricht daher regelmäßig dem Nettowert des Verwaltungsvermögens:

Mietwohngrundstück
590.000 €
Vermietete Wohnungen im gemischt genutzten Grundstück
+ 496.928 €
Aktien
+ 100.000 €
1.186.928 €
§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG n. F.
(vgl. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10. 10. 2013 – S 3812 [12])
Finanzmittel (Kundenforderungen, Bank)
311.650 €
Schulden (Hypothek, Lieferanten, Rückstellung)
– 229.360 €
82.290 €
15 % Betriebsvermögenswert
– 587.816 €
0 €
0 €
Summe Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 4 ErbStG n. F. = Nettowert Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 6 ErbStG n. F.
1.186.928 €

S. 758

2. Schritt: Ermittlung des unschädliches Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 7 Satz 1 ErbStG n. F.

Betriebsvermögenswert Einzelunternehmen
3.918.772 €
Nettowert des Verwaltungsvermögens
– 1.186.928 €
2.731.844 €
• 10 % = unschädliches Verwaltungsvermögen
273.185 €

3. Schritt: Ermittlung des begünstigten Vermögensnach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG n. F.

Betriebsvermögenswert Einzelunternehmen
3.918.772 €
Nettowert des Verwaltungsvermögens
1.186.928 €
Unschädliches Verwaltungsvermögen
– 273.185 €
= Nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen
913.743 €
– 913.743 €
= Begünstigtes Vermögen
3.005.029 €
Die Begünstigung stellt sich folgendermaßen dar:
Begünstigtes Vermögen (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG n. F.)
3.005.029 €
Verschonungsabschlag 85 % (§ 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG n. F.)
– 2.554.275 €
Nicht begünstigtes Vermögen (15 %)
450.754 €
Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 Satz 1 ErbStG n. F.)
150.000 €
Kürzung
450.754 €
– 150.000 €
300.754 €
1/2
– 150.377 €
Gleitender Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 Satz 2 ErbStG n. F.)
0 €
0 €
Begünstigtes Vermögen nach Verschonung
450.754 €
Nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen
+ 913.743 €
Zu versteuernder Betriebsvermögenswert
1.364.497 €

Fazit: Der zu versteuernde Betriebsvermögenswert nach altem Recht betrug 587.716 €. Nach neuem Recht ist der zu versteuernde Betriebsvermögenswert mit 1.364.497 € wesentlich höher.

d) Junge Finanzmittel und junges Verwaltungsvermögen

Nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG n. F. ist der gemeine Wert der Finanzmittel um den positiven Saldo der eingelegten und der entnommenen Finanzmittel zu verringern, welche dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) weniger als zwei Jahrezuzurechnen waren. Diese Finanzmittel bezeichnet man als „junge Finanzmittel“; sie sind stets Verwaltungsvermögen. Auch anderes Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) weniger als zwei Jahre zuzurechnen war (junges Verwaltungsvermögen) ist kein unschädliches Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG n. F. Beides unterliegt in voller Höhe der Besteuerung.

Die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des jungen Verwaltungsvermögens und der jungen Finanzmittel stellt das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Betriebsfinanzamt gesondert fest, wenn diese Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung i. S. dieser Vorschrift von Bedeutung sind (§ 13b Abs. 10 ErbStG n. F.).

e) Investitionsklausel i. S. des § 13b Abs. 5 ErbStG n. F.

Durch § 13b Abs. 5 ErbStG n. F. wird eine Investitionsklausel für das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen bei Erwerben von Todes wegen eingeführt, um Härtefälle im Zusammenhang mit der Stichtagsbesteuerung abzumildern.

Die Erbschaftsteuer ist eine im Zusammenhang mit dem Erbfall stehende Stichtagsteuer. Für die Steuerfestsetzung maßgeblich ist deshalb die Zusammensetzung und der Wert des übertragenen Vermögens in dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (Besteuerungszeitpunkt; §§ 9, 11 ErbStG). Dieses Vermögen unterliegt mit diesem Wert der Besteuerung. Verfügungen des Erwerbers über das erworbene Vermögen nach dem Besteuerungszeitpunkt beeinflussen die Höhe der entstandenen Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht. Sie vollziehen sich im eigenen Vermögen des Erwerbers. Das gilt unabhängig davon, ob sich der Bestand des Vermögens oder seine Zusammensetzung oder lediglich wertbestimmende Faktoren, z. B. die Verzinsung von Kapitalanlagen, ändern.

Die Einführung einer Investitionsklausel führt zu einer Ungleichbehandlung mit der Besteuerung sonstigen Vermögens, bei dem eine solche Investitionsmöglichkeit in begünstigtes Vermögen nicht möglich ist. Diese Ungleichbehandlung bedarf daher einer tragfähigen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Aufgrund des Stichtagsprinzips muss im Zeitpunkt der Besteuerung das die Beschäftigung erhaltende und deshalb verschonungswürdige betriebliche Vermögen vom verschonungsunwürdigen Vermögen abgegrenzt werden. Diese Abgrenzung kann in einer abstrakt-generellen Regelung vor allem in einem Verwaltungsvermögenskatalog nur mehr oder minder schematisch erfolgen. Diese schematische Abgrenzung führt dazu, dass Vermögen, das zwar formal dem Verwaltungsvermögen zugeordnet wird, dennoch bereits im Zeitpunkt der Besteuerung die im Betrieb angelegte Beschäftigung mit erhält, weil dieses Vermögen für eine zeitnahe Investition in begünstigtes Vermögen vorgesehen ist. Der Rückschluss von der Investition auf den Erhalt der bestehenden Beschäftigung im Besteuerungszeitpunkt ist jedoch nur möglich, wenn die Investition relativ kurze Zeit nach dem Besteuerungszeitpunkt erfolgt. Eine rückwirkende Zuordnung des zunächst schematisch ermittelten Verwaltungsvermögens zum begünstigten Vermögen ist ausnahmsweise nur dann zu rechtfertigen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer und der Investition nicht mehr als zwei Jahre liegen. Die Investition muss darüber hinaus im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer vom Erblasser als vorgefasster Entschluss bereits geplant gewesen sein und vom Erwerber lediglich noch vollzogen werden. Erfolgt die Investition zeitlich später oder war sie im Besteuerungszeitpunkt noch nicht geplant, kann nicht mehr daraus geschlossen werden, dass das Vermögen bereits im Besteuerungszeitpunkt S. 759arbeitsplatzerhaltend war. Das Vermögen würde sich nicht von dem privaten Vermögen unterscheiden, das irgendwann nach dem Besteuerungszeitpunkt in Vermögen investiert wird, das einer Beschäftigung zugute kommt. Finanzmittel, insbesondere Bankguthaben, werden nicht nur zur Anschaffung neuer Vermögensgegenstände benötigt, sondern auch zur Zahlung der Löhne der Beschäftigten. Wird ein aufgrund wiederkehrender saisonaler Schwankungen erhöhter Bestand an Finanzmitteln dazu verwendet, die laufenden Löhne in Phasen geringer Einnahmen zu zahlen, werden diese Finanzmittel rückwirkend nicht dem Verwaltungsvermögen zugeordnet. Diese Ausgaben und damit die zunächst dem Verwaltungsvermögen zugeordneten Finanzmittel sichern die bestehende Beschäftigung und sind daher begünstigungswürdig.

Bei Schenkungen unter Lebenden sind Härtefälle aufgrund des Stichtagsprinzips bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ausgeschlossen, da Schenkungen und deren Vollzug planbar sind. Die Investitionsklausel findet daher nur bei Erwerben von Todes wegen Anwendung.

5. Lohnsummenklausel i. S. des § 13a Abs. 3 ErbStG n. F.

§ 13a Abs. 3 ErbStG n. F. bündelt weitgehend inhaltsgleich die bisherige Lohnsummenregelung in § 13a Abs. 1 Satz 2–5 und Abs. 4 ErbStG a. F. Die bisherige Lohnsummenregelung ist nach dem Urteil des BVerfG im Grundsatz geeignet und erforderlich, den Erhalt des übertragenen Betriebs in der Hand des Erwerbers und den Bestand an Beschäftigung zu gewährleisten. Sie ist jedoch unverhältnismäßig, soweit alle Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten von der Lohnsummenreglung ausgenommen sind. Die Freistellung von der Einhaltung der Mindestlohnsumme kann nach der Entscheidung des BVerfG gerechtfertigt sein, soweit sie auf eine relativ kleine Gruppe von Betriebsübergängen begrenzt und diese Gruppe zudem so umschrieben wird, dass das Bedürfnis für eine solche Freistellung ein besonderes Gewicht besitzt. Angeführt werden vom BVerfG insbesondere Betriebe, die über eine so geringe Zahl an Beschäftigten verfügen, dass schon einzelne unkalkulierbare Wechsel in der Belegschaft – die sich über einen so langen Zeitraum, wie ihn die Lohnsummenfrist vorsieht, kaum völlig vermeiden lassen – die Einhaltung der Mindestlohnsumme ausschließen oder weitgehend unmöglich machen. Die Freistellung von der Lohnsummenpflicht sei nach Auffassung des BVerfG auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten zu begrenzen.

Nach diesen Maßgaben wird die Aufgriffgrenze für die Freistellung von der Lohnsummenregelung im Rahmen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers auf Betriebe mit nicht mehr als fünf Beschäftigten festgelegt. Bei einer weiteren Absenkung der Beschäftigtenanzahl würden die vom BVerfG angesprochenen unkalkulierbaren Wechsel in der Belegschaft über die langen Lohnsummenfristen die Einhaltung der Mindestlohnsumme regelmäßig ausschließen oder weitgehend unmöglich machen. Bereits der nur schwer kalkulierbare Wegfall eines Beschäftigten führt bei gleichen Lohnverhältnissen zum Wegfall von 1/5 der Lohnsumme und macht die Einhaltung der Mindestlohnsumme nahezu unmöglich. Außerdem hat wegen der geringen Bezugsgröße ein Unterschreiten der Mindestlohnsumme wesentlich größere steuerrechtliche Auswirkung als bei Betrieben mit einer größeren Zahl von Beschäftigten. Je geringer die Anzahl der Beschäftigten ist, desto mehr gerät auch die Tätigkeit des Unternehmers selbst in den Vordergrund, die dann durch eine Nachbesteuerung wegen Nichteinhaltung der Lohnsummenregel neben den verbleibenden Arbeitsplätzen gefährdet werden könnte.

Dem Bedürfnis, in Betrieben mit bis zu 15 Beschäftigten den Folgen unkalkulierbarer Wechsel in der Belegschaft entgegenzuwirken und der daraus resultierenden Schwierigkeit, die Lohnsummenregelung einzuhalten, wird nach § 13a Abs. 3 Satz 4 ErbStG n. F. mit einer nach Beschäftigtenzahl gestaffelten und verringerten Mindestlohnsumme Rechnung getragen. Schon der Wegfall nur eines Beschäftigten kann bei Betrieben mit bis zu 15 Beschäftigten zu einem Wegfall eines hohen Anteils der Lohnsumme führen. Mit zunehmender Anzahl der Beschäftigten wirkt sich i. d. R. der Wegfall eines Beschäftigten verhältnismäßig geringer auf die Lohnsumme aus. Die Kombination der Beschäftigtenzahl mit der Staffelung der Mindestlohnsumme erhöht die Flexibilität der Regelung.

 

Regelverschonung Lohnsummenfrist fünf Jahre
Anzahl Arbeitnehmer
Mindestlohnsumme
bis 5
6–10
11–15
ab 16

250 %
300 %
400 %

 

Das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Finanzamt i. S. des § 152 Nr. 1–3 BewG stellt die Ausgangslohnsumme, die Anzahl der Beschäftigten und die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen gesondert fest, wenn diese Angaben für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung i. S. dieser Vorschrift von Bedeutung sind, § 13a Abs. 4 ErbStG n. F. (§ 13a Abs. 1a ErbStG a. F.)

6. Behaltensfrist

Der Verschonungsabschlag und der Abzugsbetrag fallen mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit innerhalb von fünf Jahren nach dem Besteuerungszeitpunkt (Behaltensfrist) gegen eine der sog. Behaltensregelungen nach § 13a Abs. 5 ErbStG a. F. verstoßen wird. Die Vorschrift über die Behaltensfristen nach § 13a Abs. 6 ErbStG n. F. entspricht inhaltlich unverändert dem bisherigen § 13a Abs. 5 ErbStG a. F.

7. Optionsverschonung

Durch § 13a Abs. 10 Satz 1 ErbStG n. F. wird weiterhin optional die Möglichkeit eingeräumt, eine vollständige Steuerbefreiung zu erreichen (Vollverschonung oder Option 100); sie wurde an die geänderte Lohnsummenregelung angepasst. Die Optionsverschonung muss der Erwerber unwiderruflich gegenüber dem Finanzamt erklären. Die S. 760Verschonungsregelungen nach §§ 13a und 13b ErbStG gelten dann mit folgenden Maßgaben:

  • Verschonungsabschlag beträgt 100 %,
  • siebenjährige Lohnsummenfrist,
  • siebenjährige Behaltensfrist,
  • Lohnsummenregelung:

 

Optionsverschonung Lohnsummenfrist sieben Jahre
Anzahl Arbeitnehmer
Mindestlohnsumme
bis 5
6–10
11–15
ab 16

500 %
565 %
700 %

 

Der Erwerber muss die Optionsverschonung bei dem für die Erbschaft- oder Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich oder zur Niederschrift beantragen. Er kann den Antrag grds. bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer stellen. Der Antrag kann nach Zugang dieser Willenserklärung beim Erbschaftsteuerfinanzamt nicht mehr widerrufen werden.

Durch § 13a Abs. 10 Satz 2 und 3 ErbStG n. F. wird für die Anwendung der Optionsverschonung eine Verwaltungsvermögensquote installiert. Danach ist die Gewährung der vollständigen Verschonung davon abhängig, dass das begünstigungsfähige Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 ErbStG n. F. nicht zu mehr als 20 %aus Verwaltungsvermögen besteht.

8. Vorwegabschlag für Familienunternehmen nach § 13a Abs. 9 ErbStG n. F.

Familiengeführte Unternehmen weisen innerhalb der deutschen Unternehmensstruktur regelmäßig die Besonderheit auf, dass eine vergleichsweise starke Kapitalbindung der Gesellschafter in den Unternehmen erfolgt. Dies führt auch zu einer stärkeren Unabhängigkeit der Unternehmen vom Kapitalmarkt. Insgesamt ist die Eigenkapitalquote von Familienunternehmen tendenziell höher, was zu einer größeren Stabilität dieser Unternehmen in Krisenzeiten beiträgt. Bei eigentümergeführten Unternehmen hat der Gesellschafterkreis somit typischerweise eine wichtige Funktion als Kapitalgeber im Rahmen der Innenfinanzierung und ist wirtschaftlicher Ankerpunkt für die nachhaltige Unternehmensfortführung und zur Sicherung von Beschäftigung. Dies ist aus internationaler Sicht für größere Unternehmen unüblich und zeichnet die deutsche Unternehmenskultur aus.

Die Unternehmensführung ist typischerweise auch auf die langfristige Sicherung und Fortführung des Unternehmens ausgerichtet. Dies schließt häufig einen freien Handel der Gesellschaftsanteile aus. Vor allem bei großen familiengeführten Unternehmen sind gesellschaftsvertragliche Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen vorzufinden. Durch die gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen erhöht sich das Verschonungsbedürfnis der Erwerber begünstigungsfähigen Vermögens, dem durch einebesondere Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 9 ErbStG n. F. Rechnung getragen wird. Die langfristig bestehenden gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen führen dazu, dass der objektive gemeine Wert der erworbenen Gesellschaftsanteile aus subjektiver Sicht des Erwerbers wirtschaftlich nicht verfügbar ist. Die Steuerbefreiung soll bei kumulativem Vorliegen von Entnahme-, Abfindungs- und Verfügungsbeschränkungen i. S. des § 13a Abs. 9 Satz 1 Nr. 1–3 ErbStG n. F. dem erhöhten Bedürfnis für eine Verschonung unbürokratisch nachkommen.

Die Höhe des Abschlags entspricht der im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung tatsächlich bestimmten prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert und darf 30 % nicht übersteigen (§ 13a Abs. 9 Satz 2 ErbStG n. F.). Im Hinblick auf die Rspr. des BGH zur Wirksamkeit der Höhe einer Abfindung unter dem gemeinen Wert, ist der Abschlag auf höchstens 30 % des gemeinen Werts zu begrenzen. Der Erwerber trägt die objektive Feststellungslast hinsichtlich des Umfangs, in dem die gesellschaftsvertraglich oder satzungsmäßig festgelegte Abfindung den gemeinen Wert der Beteiligung oder des Anteils unterschreitet.

Nur wenn solche gesellschaftsvertraglichen oder satzungsmäßigen Beschränkungen über einen längeren Zeitraum bestehen, ist ein Bedürfnis für eine Steuerbefreiung anzuerkennen. Um Gestaltungen zu vermeiden, müssen auch im Fall einer Steuerbefreiung die gesellschaftsvertraglichen oder satzungsmäßigen Beschränkungen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen und sowohl einige Zeit vor als auch nach der Übertragung ununterbrochen vorliegen. Hierfür wird ein Zeitraum von zwei Jahren vorund 20 Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) als ausreichend angesehen (§ 13a Abs. 9 Satz 4 und 5 ErbStG n. F.). Nur so kann sichergestellt werden, dass der objektive gemeine Wert des begünstigten Vermögens tatsächlich nicht vom Erwerber wirtschaftlich verwirklicht werden kann.

Die Steuerbefreiung ist stets vor der Anwendung des zur Wahl stehenden Verschonungsregimes nach § 13a Abs. 1 oder Abs. 10, § 13c und § 28a ErbStG n. F. in Ansatz zu bringen.

9. Antragsgebundene Verschonungsalternativen bei Großerwerben

Übersteigt der Wert des erworbenen begünstigten Vermögens die Prüfschwelle i. H. von 26 Mio. €, erfolgt zunächst keine „klassische“ Verschonung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG n. F. (auch nicht nach § 13a Abs. 2 ErbStG n. F., da rechnerisch nicht möglich), sondern auf Antrag

  1. ein verminderter Verschonungsabschlag nach § 13c ErbStG (sog. Abschmelzmodell) oder
  2. eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung beim Erwerber nach § 28a ErbStG.
a) Abschmelzmodell nach § 13c ErbStG n. F.

§ 13c Abs. 1 ErbStG n. F. regelt, dass der Erwerber anstelle einer Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG n. F. einen Verschonungsabschlag in Anspruch nehmen kann. Mit steigendem Wert des erworbenen begünstigten Vermögens über 26 Mio. € verringert sich der Verschonungsabschlag bis S. 761auf 0 €. Das BVerfG hatte entscheidend darauf abgestellt, dass der Grad der Ungleichbehandlung mit Erwerbern von nicht begünstigtem Vermögen (Vergleichsgruppe), insbesondere bei einer Vollverschonung, ein Ausmaß annimmt, das mit einer gleichheitsgerechten Besteuerung nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Je umfangreicher die Steuerverschonung und je größer deshalb das Maß der Ungleichbehandlung, desto anspruchsvoller wird die Rechtfertigungslast. Indem bei Erwerben von begünstigtem Vermögen über 26 Mio. € der Verschonungsabschlag stufenweise verringert wird, nimmt das Maß der Ungleichbehandlung und damit die Rechtfertigungslast ab. Mit steigendem Wert des begünstigten Vermögens steigt auch die Steuerbelastung sukzessive an.

Der Abschmelzverlauf des Verschonungsabschlags von 85 % bei der Regelverschonung (§ 13a Abs. 1 ErbStG n. F.) bzw. von 100 % bei der Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG n. F.) ist wie folgt gestaltet: Der Verschonungsabschlag sinkt nunmehr um einen Prozentpunkt je 750.000 €, die der Wert des begünstigten Vermögens die Wertgrenze von 26 Mio. € übersteigt. Dies bedeutet im Rahmen der Regelverschonung, dass bei einem Erwerb von mehr als 89,75 Mio. € der Verschonungsabschlag rechnerisch auf 0 € abschmilzt, so dass der Erwerb in voller Höhe der Besteuerung zu unterwerfen ist. Bei der Optionsverschonung wird nach § 13c Abs. 1 Satz 2 ErbStG n. F. ab einem Wert des erworbenen begünstigten Vermögens von 90 Mio. € kein Verschonungsabschlag mehr gewährt.

b) Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG n. F.

§ 28a ErbStG n. F. regelt die nach dem Urteil des BVerfG erforderliche – antragsgebundene – Bedürfnisprüfung in Erwerbsfällen ab einem Erwerb von mehr als 26 Mio. €. Das BVerfG hat die weitgehende oder vollständige Verschonung des Erwerbs betrieblichen Vermögens als unverhältnismäßig angesehen, soweit sie ohne Bedürfnisprüfung über den Bereich kleiner und mittlerer Betriebe hinausgreift. Die Prüfung, ob ein Verschonungsbedarf besteht, kann im Ergebnis dazu führen, dass ein Erwerber ohne verfügbares Vermögen durch den vorgesehenen Erlass der Steuer im Ergebnis eine Vollverschonung für das begünstigte Vermögen erhält.

Die Prüfschwelle für die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a Abs. 1 Satz 1 ErbStGn. F. stellt nicht auf die Größe des Betriebs ab, der auf den Erwerber übergeht. Sie ist bezogen auf den Wert des zum Erwerb gehörenden begünstigten Vermögens, wie es das BVerfG grds. als zulässig erachtet hat. Der auf den Erwerber bezogene Ansatz fügt sich in die Grundkonzeption des ErbStG ein, die eine erwerberbezogene Besteuerung des Vermögensanfalls zugrunde legt. Dieses trägt dem Bereicherungsprinzip und dem bewirkten Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit beim Erwerber Rechnung. Der Erwerber ist Schuldner der für seinen steuerpflichtigen Erwerb zu entrichtenden Steuer und nicht das Unternehmen, das ganz oder teilweise auf ihn übergegangen ist.

Wird die Prüfschwelle des begünstigten Vermögens von 26 Mio. € überschritten, wird die Steuer auch für das begünstigte Vermögen in vollem Umfang festgesetzt. Auf Antrag des Erwerbers wird eine Verschonungsbedarfsprüfung durchgeführt. Dem Erwerber ist im Rahmen dieser Prüfung zuzumuten, in gewissem Umfang sein verfügbares Vermögen i. S. des § 28a Abs. 2 ErbStG n. F. zur Steuerzahlung einzusetzen. Soweit das verfügbare Vermögen nicht oder nicht vollständig ausreicht, um die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer zu tilgen, erhält der Erwerber einen nach § 28a Abs. 4 ErbStG n. F. auflösend bedingten Rechtsanspruch auf Erlass dieser Steuer. Ergibt die Prüfung hingegen, dass ausreichend verfügbares Vermögen vorhanden ist und es somit einer Verschonung nicht bedarf, ist die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer zu entrichten. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von „vermögenden“ und „nicht vermögenden“ Erwerbern liegt nicht vor. Denn bei einem vermögenden Erwerber ist die Fortführung des Betriebs anders als bei einem nicht vermögenden Erwerber durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht in gleichem Maße gefährdet.

§ 28a Abs. 2 ErbStG n. F. bestimmt das verfügbare Vermögen, das in die Bedarfsprüfung einzubeziehen ist. Einbezogen wird nicht nur das Vermögen, das der Erwerber im Rahmen seines jetzt zu besteuernden Erwerbs als nicht begünstigtes Vermögen erworben hat, sondern auch das nicht begünstigte Vermögen, das dem Erwerber bereits vor dem Erwerb gehört hat.

HinweisAusgenommen wird damit das bereits vorhandene Vermögen, das im Falle eines Erwerbs von Todes wegen oder durch Schenkung begünstigtes Vermögen wäre. Die Ausnahme für dieses Vermögen ist folgerichtig. Der Zweck der Verschonung, die in den übergegangenen Betrieben angelegte Beschäftigung und die Betriebe selbst zu bewahren, gilt in gleichem Maße für bereits vorhandene Betriebe.

Das verfügbare Vermögen liegt nicht immer als fungibles Geldvermögen vor. Bei Sachvermögen, insbesondere Grundstücken, benötigt der Steuerschuldner Zeit, wenn er einen Kredit aufnehmen oder Vermögen ggf. veräußern muss. Um hierdurch eintretende Härten zu vermeiden, erhält der Steuerschuldner nach § 28a Abs. 3 ErbStG n. F. einen Anspruch auf Stundung der Steuer für einen Zeitraum von sechs Monaten.

Der Antrag nach § 13c ErbStG n. F. (Abschmelzmodell) schließt den Antrag auf eine Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG n. F. aus (§ 28a Abs. 8 ErbStG n. F.).

10. Stundung

Bei einem Erwerb begünstigten Vermögens i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG n. F. von Todes wegen erhält der Erwerber nach § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG n. F. einen Rechtsanspruch aufS. 762Stundung der auf das begünstigte Vermögen entfallenden Steuer von bis zu sieben Jahren, unabhängig davon, nach welcher Maßgabe (Regel- oder Optionsverschonung, Abschmelzmodell oder Verschonungsbedarfsprüfung) eine Steuer auf das begünstigte Vermögen entfällt. Die Stundung ist zu beantragen. Zu den Verzinsungsmodalitäten vgl.§ 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 ErbStG n. F. Damit soll die Belastung durch die im Erbfall ungeplant entstandene Erbschaftsteuer abgemildert werden. Maßgeblich für die Stundung ist, dass die Lohnsummenklausel nach § 13a Abs. 3 ErbStG n. F. und die Behaltensfrist nach § 13a Abs. 6 ErbStG n. F. eingehalten werden. Mit einem Verstoß gegen die Lohnsummenklausel bzw. Behaltensfrist endet die Stundung, und die Steuer wird sofort fällig (§ 28 Abs. 1 Satz 5 ErbStG n. F.).

Die allgemeinen Stundungsregelungen nach § 222 AO bleiben nach § 28 Abs. 1 Satz 4 ErbStG n. F. jedoch unberührt. Ist demnach eine Stundung nach § 28 ErbStG n. F. nicht möglich, kann eine solche nach § 222 AO in Betracht kommen.

11. (Grund-)Prüfungssystem

Regel- und Optionsverschonung sind an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. Es empfiehlt sich, die neuen Verschonungsregelungen einem (Grund-)Prüfungssystem in vier Stufen zu unterwerfen: [13]

 

1. Stufe:
Liegt begünstigungsfähiges Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 ErbStG vor?
2. Stufe:
Aufteilung des begünstigungsfähigen Vermögens in begünstigtes Vermögen (§ 13b Abs. 2 Satz 1 i. V. mit Abs. 7 ErbStG n. F.) und nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 4 ErbStG n. F.
3. Stufe:

Gehen Sie hier wie folgt vor:

4. Stufe:

Überprüfung der Voraussetzungen und Folgen der Regel- und Optionsverschonung:

 

12. Besonderheiten

a) Übernahme von Verbindlichkeiten

Schulden, die mit dem nach §§ 13a, 13b ErbStG n. F. befreiten Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung der §§ 13a, 13b ErbStG anzusetzenden Werts des gesamten begünstigten Vermögens zu dem Wert dieses Vermögens vor Anwendung der §§ 13a, 13b ErbStG entspricht (§ 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG). Zu diesen Schulden können jedoch nur solche gehören, die nicht bereits bei der Ermittlung des Werts des begünstigten Vermögens berücksichtigt worden sind (R E 10.10 Abs. 4 Satz 1, 2 und R E 13b.7 Abs. 2 Satz 1, 2 ErbStR). Dies bedeutet, dass in den Fällen des Erwerbs eines Einzelunternehmens die Schuldenkappung nach § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG i. d. R. nicht eingreift, da betriebliche Verbindlichkeiten bereits Bestandteil des Betriebsvermögenswerts nach § 95 Abs. 1 BewG sind. Insoweit ergeben sich keine Änderungen gegenüber dem alten Recht.

b) Mehrere Erben führen das Einzelunternehmen fort

Sind mehrere Erben vorhanden, die gemeinsam ein zu verschonendes Einzelunternehmen fortführen, stellt sich die Frage, ob

  • die Regelverschonung auf das Einzelunternehmen insgesamt anzuwenden und der sich daraus ermittelte, anzusetzende Betriebsvermögenswert nach Erbquoten aufzuteilen ist, oder
  • jeder Erbe die Verschonung auf seinen nach Erbquote aufzuteilenden Betriebsvermögenswert in Anspruch nehmen kann.

Der Gesetzeswortlaut (§ 13a Abs. 1 und § 13b Abs. 1 ErbStG n. F.) scheint zunächst für eine rein objektive Betrachtungsweise zu sprechen, mit der Folge, dass das Betriebsvermögen (einmal) begünstigt werden soll, egal wie viele Erben vorhanden sind. Betrachtet man jedoch den Wortlaut des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG n. F. genauer, spricht das Gesetz vom „… inländischen Betriebsvermögen beim Erwerb eines …“, was auf eine erwerbs- und erwerberbezogene Betrachtung hindeutet. Dies sieht auch die Finanzverwaltung so, wenn sie darauf hinweist, dass der Erwerb inländischen Betriebsvermögens, das im Zeitpunkt der Steuerentstehung als solches vom Erblasser oder Schenker auf den Erwerber übergeht und in der Hand des Erwerbers inländisches Betriebsvermögen bleibt, begünstigt sein soll (R E 13b.5 Abs. 1 Satz 1 ErbStR). [14]

Demnach ist im Regelfall wie folgt vorzugehen:

  1. Prüfung, ob das Einzelunternehmen nach §§ 13a, 13b ErbStG n. F. (dem Grunde nach) verschont werden kann.
  2. Betriebsvermögenswert nach Erbquoten aufteilen, und die Verschonungssystematik (Verschonungsabschlag und Abzugsbetrag) bei jedem Erben zur Geltung kommen lassen.

Auch hier ergeben sich keine Änderungen gegenüber dem alten Recht.

c) Vermächtnisse

Ein Erwerber kann die Verschonung nicht in Anspruch nehmen, soweit er Betriebsvermögen aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss, § 13a Abs. 5 Satz 1 S. 763ErbStG n. F. (sog.Weitergabeverpflichtung, R E 13a.3 Abs. 1 Satz 1–3 ErbStR). Letztwillige Verfügung ist das Testament, rechtsgeschäftliche Verfügung z. B. der Erbvertrag des Erblassers oder der Schenkungsvertrag. Anwendungsfälle sind z. B. ein Sach- oder Vorausvermächtnis, das auf ein begünstigtes Einzelunternehmen gerichtet ist. Die Rechtsfolge des § 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG entfaltet unmittelbar ihre Wirkung, und nicht erst bei Erfüllung der Verpflichtung. Der Vermächtnisnehmer kann demnach – bei Erfüllung der Voraussetzungen – die Verschonung nach §§ 13a, 13b ErbStG n. F. in Anspruch nehmen. Insoweit ergeben sich auch hier keine Änderungen gegenüber dem alten Recht (§ 13a Abs. 3 Satz 1 ErbStGa. F.).

Gleiches ergibt sich im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a Abs. 1 Satz 2 ErbStG n. F.

d) Teilungsanordnung und freie Erbauseinandersetzung

Sind Miterben aufgrund einer Teilungsanordnung des Erblassers (verfügte Erbauseinandersetzung) verpflichtet oder verständigen sie sich darauf, im Rahmen der Nachlassteilung (freie Erbauseinandersetzung) das begünstigte Betriebsvermögen auf einen Miterben zu übertragen und vollziehen sie dies auch tatsächlich, können die übertragenden Miterben die Befreiung nicht in Anspruch nehmen (§ 13a Abs. 5 Satz 2 i. V. mit Satz 1 ErbStG n. F. i. V. mit R E 13a.3 Abs. 1 Satz 4 ff. ErbStR). Gibt der nachfolgende Miterbe für den Erwerb des begünstigten Betriebsvermögens nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, wird er so gestellt, als habe er von Anfang an (das gesamte) begünstigte Vermögen erworben (§ 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStGn. F. i. V. mit R E 13a.3 Abs. 2 ErbStR). Wird hingegen eigenes (nicht geerbtes) Vermögen hingegeben, bleibt es bei der Befreiung nur hinsichtlich der eigenen Erbquote. Als hingegebenes Vermögen gilt nicht die Übernahme von Nachlassverbindlichkeiten, die mit dem begünstigten Vermögen oder Teilen davon in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Der gemeine Wert des begünstigten Betriebsvermögens darf jedoch nicht überschritten werden. Durch diese Regelung wird lediglich die Bemessungsgrundlage für die Steuerbefreiung verändert; sie führt aber nicht zu einer Veränderung der Zurechnung des Nachlasses, so dass der Grundsatz, dass die Erbauseinandersetzung unbeachtlich ist, weiterhin Geltung hat (R E 3.1 Abs. 1 ErbStR). Den übernehmenden Miterben, der die Begünstigung in Anspruch nehmen kann, trifft die Behaltenspflicht (zehnjährige Selbstnutzung); er hat die steuerlichen Folgen eines Verstoßes hiergegen zu tragen (Nachversteuerungsvorbehalt). Insoweit ergeben sich auch hier keine Änderungengegenüber dem alten Recht (§ 13a Abs. 3 Satz 2 i. V. mit § 13b Abs. 3 ErbStG a. F.).

Gleiches ergibt sich im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a Abs. 1 Satz 3 und 4 ErbStG n. F.

13. Kapitalisierungsfaktor nach § 203 BewG

Die Entwicklung des Basiszinssatzes i. S. des § 203 Abs. 2 BewG a. F. und davon abhängig des Kapitalisierungszinssatzes (§ 203 Abs. 1 BewG a. F.) sowie des Kapitalisierungsfaktors (§ 203 Abs. 3 BewG a. F.) stellt sich ab 2009 wie folgt dar

 

Jahr
Basiszinssatz
Fundstelle
Kapitalisierungsfaktor
2009
3,61 %
BMF, Schreiben vom 7. 1. 2009 – IV C 2 – S 3102/07/0001 [UAAAD-02897], BStBl 2009 I S. 14
100/8,11 = 12,3304
2010
3,98 %
BMF, Schreiben vom 5. 1. 2010 – IV D 4 – S 3102/07/0001 [VAAAD-35152], BStBl 2010 I S. 14
100/8,48 = 11,7924
2011
3,43 %
100/7,93 = 12,6103
2012
2,44 %
100/6,94 = 14,4092
2013
2,04 %
BMF, Schreiben vom 2. 1. 2013 – IV D 4 – S 3102/07/10001 [XAAAE-26260]], BStBl 2013 I S. 19
100/6,54 = 15,2905
2014
2,59 %
BMF, Schreiben vom 2. 1. 2014 – IV D 4 – S 3102/07/10001 [GAAAE-52258], BStBl 2014 I S. 23
100/7,09 = 14,1043
2015
0,99 %
100/5,49 = 18,2149

 

Ab 2016 sollte nach der ursprünglichen Gesetzesfassung § 203 Abs. 2 BewG dahingehend ergänzt werden, dass ein Korridor vorgegeben wird, in dem sich der Basiszinssatz bewegen kann. Dabei sollte der Basiszinssatz 3,5 % nicht unter- und 5,5 % nicht überschreiten, mit der Folge, dass sich der Kapitalisierungsfaktor immer zwischen 10 und 12,5 bewegen würde. Normalerweise hätte sich für 2016 ein Kapitalisierungsfaktor i. H. von 17,8571 ergeben, wenn man einen Basiszinssatz von 1,10 % [15] zugrunde legen würde, der aber dann auf 100/8 = 12,5 begrenzt worden wäre.

In Niedrigzinsphasen kann die Anknüpfung an den Basiszinssatz zu Überzeichnungen bei der Wertermittlung nicht börsennotierter Kapitalgesellschaften und von Betriebsvermögen führen. Das vereinfachte Ertragswertverfahren verrentet den nach § 202 BewG korrigierten Jahresgewinn in die Ewigkeit anhand der derzeit erzielbaren Rendite einer risikoarmen Kapitalmarktanlage (Basiszinssatz) zzgl. eines Zuschlags i. H. von 4,5 %. Der Betriebsvermögenswert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ist folglich derjenige Betrag, der zum Bewertungsstichtag verzinslich angelegt werden müsste, um dauerhaft den bereinigten Jahresgewinn des Unternehmens aus der Anlage zu erzielen. Je niedriger die langfristig erzielbare Rendite öffentlicher S. 764Anleihen ist, umso mehr Geld müsste im Bewertungszeitpunkt angelegt werden, um dauerhaft den Unternehmensgewinn zu erreichen. Sinkt der Basiszinssatz, steigen folglich die Unternehmenswerte. Dieser Effekt ist dem Grunde nach realitätsentsprechend. Bei niedrigen Zinsen werden höhere Preise für Unternehmen bezahlt. Von diesem Zusammenhang ging § 203 BewG a. F. bei der Ermittlung des Kapitalisierungsfaktors aus.

Sinken die Zinsen jedoch wie derzeit unter ein gewisses Niveau, führt dies zu einem hohen Kapitalisierungsfaktor sowie zu entsprechend höheren Unternehmenswerten. Zwar führen niedrige Zinsen tatsächlich zu höheren Unternehmenswerten, jedoch nicht in dem Maße, wie sich der Kapitalisierungsfaktor aufgrund des niedrigen Basiszinssatzes erhöht. Die Überzeichnungen bei der Unternehmensbewertung lassen sich mathematisch erklären. Durch die Bildung eines reziproken Werts steigt der Kapitalisierungsfaktor je näher der Nenner gegen Null läuft exponentiell gegen Unendlich an und sinkt, je näher der Nenner gegen Unendlich läuft exponentiell gegen Null. Ist der Basiszinssatz folglich besonders hoch oder besonders niedrig, wirkt sich dies überproportional auf den Kapitalisierungsfaktor aus.

Bei einer von den Zentralbanken durchschnittlich angestrebten Inflationsrate von 2 % muss eine risikoarme Kapitalmarktanlage, um wert erhaltend zu sein, wenigstens 2 % Rendite erwirtschaften. Liegt die Rendite darunter, käme es zu einem Wert verfall. Da ein Unternehmen nicht nur werterhaltend, sondern gewinnbringend, sein soll, ist davon auszugehen, dass eine Überzeichnung der Unternehmenswerte bei einem Basiszinssatz von weniger als 3,5 % einsetzt. § 203 Abs. 2 Satz 3 BewG sollte deshalb den Basiszinssatz nach unten auf 3,5 % begrenzen.

Übersteigt der Basiszinssatz umgekehrt einen gewissen Wert, kommt es in der Breite zu einer Unterbewertung der Unternehmen. Ein hoher Basiszinssatz kann mit einem erhöhten Risiko der langfristig öffentlichen Anleihen zusammenhängen, so dass die Grundannahme des § 203 BewG, der Vergleich einer risikoarmen Kapitalmarktanlage mit einem risikoreicheren Investment in ein Unternehmen, nicht mehr zutrifft. Die öffentliche Anleihe kann wegen des höheren Ausfallrisikos nicht mehr dauerhaft garantieren, den Ertrag i. H. der Zinsen zu erwirtschaften. Damit hat aber eine Anleihe mit hohem Zins ihre Fähigkeit als Vergleichsmaßstab für die Unternehmensbewertung verloren. Zudem werden trotz hoher Basiszinssätze gewisse Kaufpreise bei Unternehmen, mithin ein gewisser Kapitalisierungsfaktor, nicht unterschritten. Es ist davon auszugehen, dass bei einem Basiszinssatz von mehr als 5,5 % in der Breite eine Unterbewertung der Unternehmen einsetzt. § 203 Abs. 2 Satz 3 BewG sah daher einen Höchstwert des Basiszinssatzes von 5,5% vor.

Im Wege des Vermittlungsverfahrens einigte man sich jedoch auf einen gänzlich neuen Weg: Der Kapitalisierungsfaktor wird nunmehr mit einem einheitlichen Faktor von 13,75gesetzlich vorgegeben (§ 203 Abs. 1 BewG n. F.). Um aber auch in der Zukunft die Zinsentwicklung einzubinden, wird nach § 203 Abs. 2 BewG n. F. das BMF ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats den Kapitalisierungsfaktor an die Entwicklung der Zinsstrukturdaten anzupassen.

 

Jahr
Basiszinssatz
Kapitalisierungsfaktor
2016
Nicht mehr erforderlich
13,75

 

14. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen

Die Neuregelungen innerhalb des ErbStG finden nach § 37 Abs. 12 ErbStG n. F. auf alle Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 30. 6. 2016 entsteht. § 203 BewG n. F. gilt für Bewertungsstichtage ab dem 1. 1. 2016 (§ 205 Abs. 11 BewG n. F.).

III. Fazit

Die Verschonungsregelungen für Einzelunternehmen im Betriebsvermögen sind elementare Bausteine auf der Besteuerungsebene. Die Kenntnis dieser Verschonungen ist zum einen für die praktische Arbeit und zum anderen für das Studium und die StB-Prüfung (mündliche Prüfung!) von erheblichem Interesse. Durch das „Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ wurden die Verschonungen nach §§ 13a, 13b ErbStG überarbeitet und in Teilen neu gestaltet. Dies war der Auftrag des BVerfG. Man darf nun gespannt sein, ob die (teilweise komplexen) Neuregelungen einer ggf. erneuten Überprüfung durch das BVerfG standhalten werden.[i]

Autor

Jörg Ramb,
Dipl.-Finanzwirt, ist seit Juli 2001 Dozent an der Hochschule für Finanzen Rheinland-Pfalz in Edenkoben und unterrichtet schwerpunktmäßig Bewertungsrecht, Erbrecht, Erbschaft- und Umsatzsteuer. Er hat diverse Beiträge zur Bedarfsbewertung und Erbschaftsteuer sowie andere Fachpublikationen veröffentlicht.

Fundstelle(n):
SteuerStud 12/2016 Seite 749
[DAAAF-83837]

1BVerfG, Urteil vom 17. 12. 2014 – 1 BvL 21/12 [AAAAE-81469], BStBl 2015 II S. 50; vgl. hierzu Ramb, SteuerStud 2/2015 S. 70 [EAAAE-82175].

2BGBl 2006 I S. 2464.

3Vgl. im Einzelnen Eisele, NWB 29/2016 S. 2173 [YAAAF-77684].

4In der Fachpresse wurde dieses Gerangel der Politik heftig kritisiert und insbesondere deshalb als „blamabel“ bezeichnet, da dies eine Lähmung in der Nachfolgeplanung gerade für Familienunternehmen nach sich zog.

5Pressemitteilung Nr. 41/2016.

6Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, bemerkte dazu: „Mit der Entscheidung will sich das Gericht ein Stück weit Respekt verschaffen. Dass der Gesetzgeber die Karlsruher Vorgaben nicht ernst genug nehme, berühre das Selbstverständnis des Gerichts. Karlsruhe lässt sich nicht mit dem Nasenring durch die Arena führen.“ (DIE RHEINPFALZ, Ausgabe vom 15. 7. 2016).

7Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 21. 6. 2016 [OAAAF-78710], BStBl 2016 I S. 646.

8Vgl. im Einzelnen Eisele, NWB 40/2016 S. 3002 [PAAAF-82861].

9Nach der Regierungsbegründung geht der Gesetzgeber davon aus, dass lediglich 1 % der Erwerbe über 26 Mio. € liegen.

10BGBl 2013 I S. 1809.

11[RAAAE-48489], BStBl 2013 I S. 1272.

12[RAAAE-48489], BStBl 2013 I S. 1272.

13Angelehnt an Schmidt/Schwind, NWB 22/2009 S. 1654 [SAAAD-21201], NWB 24/2009 S. 1816 [ZAAAD-22185], NWB 28/2009 S. 2151 [DAAAD-23857], NWB 31/2009 S. 2410[EAAAD-24953], sowie Schmidt/Leyh, NWB 33/2009 S. 2557 [IAAAE-39381].

14Auch das Beispiel in H E 13a.12 [Verstoß gegen die Behaltensregelungen durch einen Miterwerber] ErbStH stützt diese Auslegung.

15BMF, Schreiben vom 4. 1. 2016 – IV D 4 –  3102/07/10001 [VAAAF-41532], BStBl 2016 I S. 5.

Kategorien: Allgemein, ErbSt | Keine Kommentare


Kommentare sind geschlossen.